Zehn Jahre nach ihrer Gründung ist es für die Servicegesellschaft Sachsen-Anhalt Süd (SG SAS) an der Zeit Bilanz zu ziehen. Hat sich die Erwartung ihrer Muttergesellschaften, der Stadtwerke Merseburg und Stadtwerke Weißenfels sowie der Technischen Werke Naumburg, erfüllt, durch die Kooperation steigendem Kosten- und Effizienzdruck besser standzuhalten? Konnte gegenüber den Kunden eine größtmögliche Kostenstabilität gewährleistet werden? Und wird es mit der gemeinsamen Dienstleistungsgesellschaft weitergehen? Kay Lehmann, Geschäftsführer der Servicegesellschaft, bezieht im Gespräch mit dem Stadtwerke-Monitor Stellung.
Herr Lehmann, die drei Stadtwerke im Süden Sachsen-Anhalts sind mittelgroße, kommunale Energieversorger mit insgesamt 60.000 Kunden. Aus welchem Grund hat man sich 2011 entschieden, einige der technischen und kaufmännischen Dienstleistungen outzusourcen?
Schon vor deutlich mehr als zehn Jahren war den betreffenden Stadtwerken bewusst, dass sich die Effizienzvorgaben der Regulierungsbehörden und der Kostendruck, dem auch kommunale Versorger unterliegen, noch verschärfen würden. Eine Kooperation zu schaffen, um Prozesse zu optimieren und Synergien zu heben, schien eine Möglichkeit zu sein, darauf frühzeitig zu reagieren. Unter den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten – darunter die Vollfusion mit neuem Markennamen und Kundenauftritt oder eine gemeinsame Netzgesellschaft – hat man die Schaffung einer Dienstleistungsgesellschaft gewählt, in die alle Funktionen integriert wurden, die für die Stadtwerke a) nicht vertriebs- und b) nicht regulierungsrelevant sind.
Von welchen Funktionen ist da die Rede?
Etwa technische Aufgaben im Netzbetrieb, die alle drei Stadtwerke innehaben – von der Instandhaltung der Netze über den Ersatzneubau bis zum Erstellen eines Hausanschlusses. Doch auch kaufmännische Leistungen wie Finanzbuchhaltung, Verbrauchsabrechnungen oder Querschnittsfunktionen etwa im Facility Management oder Fuhrpark. Die IT-Infrastruktur und ihre Betreuung sind ebenfalls wichtige Funktionen, bei denen die Muttergesellschaften nicht in Konkurrenz miteinander stehen und die nun die Servicegesellschaft erfüllt.
Preisstabilität dank Synergieeffekten
Wieso lohnt es sich aus Stadtwerkssicht, diese Kompetenzen abzugeben?
Wir sprechen nicht davon, Kompetenzen abzugeben, sondern sie effizient zu bündeln. So können wir in erster Linie Personal sparen und kosteneffizienter arbeiten. Ein Beispiel aus dem technischen Aufgabenfeld: Die Technischen Werke Naumburg, die Stadtwerke Weißenfels und Stadtwerke Merseburg sind in jeweils etwa 20 Kilometern Abstand an der Saale aufgereiht. Diese drei Gas- und Stromnetze können wir mit weniger Personal pflegen, als es der Fall wäre, wenn jedes Stadtwerk einzeln einen entsprechenden Personalstamm vorhalten müsste, um Bereitschaft, Störungsbeseitigung usw. zu garantieren. Wir heben als gemeinsamer Dienstleister in den Bereichen Instandhaltung, Investitionen, Personal wichtige Skaleneffekte, so dass unsere Muttergesellschaften die Kosten- und Effizienzvorgaben der Landesregulierungsbehörde insgesamt besser erfüllen können. Auch im kaufmännischen Bereich gilt, dass wir zum Bespiel für die Rechnungsstellung für drei Stadtwerke nicht dreimal so viele Leute brauchen, sondern weniger.
Wie können die Vorteile dieser Synergieeffekte an die Kunden weitergegeben werden?
Dank der Auslagerung von nicht vertriebsrelevanten Aufgaben können sich die Stadtwerke viel stärker auf ihre originären Aufgaben, auf ihr Kerngeschäft fokussieren. Denn für den Kunden bleibt das jeweilige Stadtwerk sein zuverlässiger Versorger, etablierter Anbieter entsprechender Produkte und über die Kundencenter immer direkt erreichbar. Den drei Stadtwerken ist es gelungen, Strom, Gas und Wasser durchgängig zu stabilen Preisen anzubieten. Von den extremen Preissteigerungen, wie wir sie gerade im globalen Gas- und Strommarkt erleben, natürlich einmal abgesehen. Im Grunde soll der Kunde gar nicht merken, dass im Hintergrund unsere 185 Mitarbeiter Dienstleistungen aus einer Hand für alle drei Stadtwerke anbieten. Auch die vielen Herausforderungen in der Energiewirtschaft, die in den letzten Jahren auf jedes Unternehmen zugekommen sind, können wir in der Kooperation effizienter meistern. So muss nicht jeder für sich allein mit hohem Aufwand agieren.
Wie können Sie das gewährleisten, ohne Verwirrung zu schaffen?
Indem wir jeweils bildlich gesprochen in die Jacke des Stadtwerks schlüpfen. Wenn der Kunde etwa seine Jahresabrechnung erhält, dann kommt die auf dem Briefpapier und im Namen seines Stadtwerks, auch wenn sie durch die Verbrauchsabrechnung der SG SAS erstellt wurde. Außerdem orientieren sich unsere Mitarbeiter bei Kundenanrufen an der Vorwahl und melden sich als das jeweilige Unternehmen. Doch natürlich gab es gerade am Anfang einige Verwirrung, etwa wenn unsere Mitarbeiter zum Zählerwechsel mit unseren Fahrzeugen erschienen sind, auf denen groß Servicegesellschaft und nur klein der Name des Stadtwerks steht. Aber so langsam ist in der Region etabliert, wer wir sind, was wir machen und für wen wir das tun.
Der Vorteil des „platten Lands“
Während sehr große Stadtwerke häufig Aufgabenbereiche kleinerer Versorger in der Peripherie übernehmen, sitzen Sie selbst – wie ihre Muttergesellschaften auch – auf dem platten Land.
Was ein großer Vorteil ist, denn so sind wir deutlich lokaler, kommunaler, wir kennen die Kunden, die Belange der jeweiligen Versorgungsunternehmen selbst gut. Auch was die Erwartungshaltung der Städte angeht, dass ihr Stadtwerk sich ausreichend für kommunale Belange einsetzt, können wir als Servicegesellschaft unterstützen. Sei es bei der Abstimmung von Aktivitäten in der Raumordnung, also bei der Koordination gemeinsamer Baumaßnahmen, sei es bei der Gewährleistung einer Wasser- und Stromversorgung bei Stadtfesten, sei es bei der Beteiligung am Sponsoring für Kultur und Vereine.
Über die drei Muttergesellschaften hinaus bieten sie einzelne Dienstleistungen noch anderen Kunden an. Wer zählt dazu?
Seit Gründung der SG SAS war es das Ziel, unsere Leistungen im Bereich der Versorgung, des Netzbetriebs, im Rechnungswesen, der IT, der Personalplanung, des Datenschutzes sowie der Arbeitssicherheit branchenähnlichen Unternehmen anzubieten. Inzwischen zählen weitere Stadtwerke aus der Region, Trinkwasserversorger, Abwasserverbände, aber auch der Betreiber eines Solarparks zu den Kunden der Servicegesellschaft.
Und Ausbildungsbetrieb sind Sie auch noch.
Wir haben die betriebsinterne Ausbildung zum Anlagenmechaniker, Mechatroniker, Elektroniker für Betriebs- und Automatisierungstechnik sowie zum Industriekaufmann früh als Möglichkeit erkannt, uns und unsere Muttergesellschaften mit gut qualifiziertem Nachwuchs zu versorgen. Alle Azubis erhalten im Anschluss einen mindestens einjährigen Vertrag, der ihnen den Berufseinstieg erleichtert. Die Versorgungsbranche mag konservativ sein und nicht die erste, auf die die jungen Leute schauen, aber sie garantiert eine gewisse Sicherheit und das zieht auch.
Zehn Jahre Servicegesellschaft Sachsen-Anhalt Süd lassen sich als Erfolgsgeschichte bezeichnen?
Natürlich gibt es an den Schnittstellen, die es für die Übernahme von Stadtwerks-Leistungen gibt, auch Kommunikationsbedarfe, die wir aber immer besser decken. Im Grunde haben wir ein Modell aufgebaut, das sehr gut funktioniert, eine hervorragende Zukunftsperspektive hat und als Beispiel dienen kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Kay Lehmann (50), Elektromonteur, Diplom-Elektrotechniker und Diplom-Betriebswirt, hat nach vielen Jahren bei Energieversorgern und Verteilungsnetzbetreibern – auch in leitender Funktion – 2014 die Geschäftsführung der Servicegesellschaft übernommen. Mit seiner Frau und seinen beiden, fast erwachsenen Kindern lebt der gebürtige Spreewälder seit vielen Jahren im Süden Leipzigs. Der „Beute-Sachse“, wie er sich gern selbst bezeichnet, liebt sein heterogenes Aufgabenfeld und ist stolz auf seine fast 200-köpfige Belegschaft, die früh eine über 80-prozentige Corona-Impfquote erreicht hatte.
Fotos: Servicegesellschaft Sachsen-Anhalt Süd