HomeEnergiewendeUltra-Schnellladeinfrastruktur – das „Rückgrat der Elektromobilität“

Ultra-Schnellladeinfrastruktur – das „Rückgrat der Elektromobilität“

Wie private und öffentliche Investitionen in Ladeinfrastruktur helfen wollen, die deutsche E-Mobilität zu pushen – und damit die Vorgaben der Ampelkoalition zu erfüllen.

Ein internationaler Großinvestor steckt 150 Millionen Euro in ein Münchner Start-up, damit es Tausende von Ultra-Schnellladestationen installieren kann. Auch die Großkonzerne der Automobil- und Energiebranche investieren intensiv in die E-Ladeinfrastruktur mit Augenmerk auf High-Power-Charging. Viele Stadtwerke haben die Elektromobilität und den nötigen Infrastrukturausbau ebenfalls als Wachstumsfeld identifiziert. So wird etwa SachsenEnergie seine derzeit 500 öffentlichen Ladepunkte um 100 zusätzliche HPC-Punkte erweitern und errichtet die RheinEnergie für die Stadtwerke Köln 1.000 neue Ladepunkte im Stadtgebiet.

Lassen sich dank solcher öffentlichen und privatwirtschaftlichen Initiativen die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreichen? Immerhin will man schon bis 2030 statt der1,01 Millionen Vollstromer, die das Kraftfahrtbundesamt zum 1. Januar 2023 zählt, 15 Millionen E-Autos auf die Straße schicken – in der Hoffnung, die Treibhausgas-Emissionen des Autoverkehrs endlich signifikant zu senken. Ebenfalls binnen sieben Jahren soll die Zahl von aktuell 85.073 öffentlichen Ladepunkten (Bundesnetzagentur, Stand 1. März 2023) auf eine Million anwachsen. Laut Haushaltsgesetz sind bis 2026 allein 6,3 Milliarden Euro für den Ausbau dieser Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum vorgesehen – mit starkem Fokus auf: Schnellladeinfrastruktur.

Die Bundesregierung sieht in der E-Mobilität jedenfalls nichts Geringeres als den „Schlüssel zur Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor“. Doch sind diese Vorgaben der Ampelkoalition überhaupt realisierbar – oder gar überholt, seit man sich im Herbst 2022 auf den Masterplan Ladeinfrastruktur II geeinigt hat?

Maurice Neligan, CEO von Jolt Energy, dem Münchner Start-Up, das kürzlich den Kapitalgeber InfraRed von seiner Vision überzeugen konnte und sich als „Pionier im Bereich batteriegepufferter Ultra-Schnellladestationen in urbanen Gebieten“ bezeichnet, erklärt: „Unsere ultra-schnellen Ladestationen mit leistungsstarken Batteriespeichern sind das fehlende Bindeglied, um die Energie- und Verkehrswende in den Städten zu beschleunigen.“ Im Fokus hat Jolt den urbanen Autofahrer, der zwar gern seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten würde, jedoch keine idealen Bedingungen dafür vorfindet, etwa, weil er in seiner Stadtwohnung keine Wallbox installieren kann und das Laden an den öffentlichen Säulen zu lange dauert, um es geschmeidig in den Tagesablauf zu integrieren.

An den Ultra-Chargern, die Jolt an 5.000 Standorten in europäischen und nordamerikanischen Städten, vornehmlich anTankstellen und auf Supermarktparkplätzen, installieren will, könne man hingegen „in nur fünf Minuten Strom für 100 Kilometer tanken“. Möglich macht das der in die Ladesäule eingebaute Batteriespeicher des Ladesystem-Entwicklers ADS-TEC. Dieser wird mit der Leistung des bestehenden Netzes geladen, speichert sie und gibt sie beim Tanken ultraschnell an das Fahrzeug ab. So kann die Netzleistung – auch die sehr geringe aus dem Niederspannungsnetz – auf bis zu 320 Kilowatt erhöht werden. Nelligan sieht neben ihrer Schnelligkeit auch einen infrastrukturellen Vorteil in den batteriebasierten Ladesystemen:Immerhin entfiele hier der kostspielige Anschluss an das häufig weiter entfernteMittelspannungsnetz mit Umspannstation, Transformator und Schaltanlage, wie es die meisten HPC-Säulen erforderten.

Auch Global Player setzen vermehrt auf Schnelllade-Konzepte

Zum Vergleich: Die weitaus meisten Ladepunkte in Deutschland (71.359 von 85.073) sind noch an das gut verfügbare Niederspannungsnetz angeschlossen, erreichen mit Wechselstrom (AC) aber lediglich eine Leistung von maximal 22 Kilowatt. Sein E-Auto für eine längere Strecke an solch einer Säule zu betanken, dauert ein Weilchen. Die schnelleren, mit aus dem Mittelspannungsnetz entnommenen Gleichstrom arbeitenden DC-Säulen erzielen indes bis zu149 kW. Wenig überraschend wächst ihr Anteil an der deutschen Ladeinfrastruktur deutlich schneller als der der AC-Säulen.

Doch insbesondere auf das ultra-schnelle Laden mit einer Leistung bis 350 kW setzen immer mehr Anbieter – von Start-Ups wie Jolt Energy oder Numbat aus Kempten bis zu Global Playern der Auto- und Energieindustrie, darunter EnBW mobility, EWE, der Autobauer-Zusammenschluss Ionity, Tesla, VW mit seiner Lade-Tochter Elli, Audi sowie Aral. Mit seiner Untermarke „Aral Pulse“ will der Konzern seine Ultra-Charger mit bis zu 350 kW nicht nur an seinen Tankstellen ausbauen, sondern auch an anderen Orten des täglichen Gebrauchs wie Supermärkte oder Fastfood-Ketten. An ihnen können Besitzer geeigneter Plug-In-Hybride und vollelektrischer PKW binnen zehn Minuten eine Reichweite von bis zu 300 Kilometer erzielen, so Aral.

Die politischen Vorgaben sind klar: Erst im März 2023 hat sich das Europäische Parlament mit der Ratspräsidentschaft darauf geeinigt, dass es binnen drei Jahren an den wichtigsten Fernverkehrsstraßen der EU alle 60 Kilometer eine Schnellladestation mit einer Mindestleistung von 150 kW geben muss. Die Ampelkoalition wiederum verpflichtet die Betreiber größerer Tankstellen in Deutschland dazu, innerhalb von fünf Jahre mindestens einen Schnellladepunkt zu errichten.

Carsten Wald, Leiter Elektromobilität bei SachsenNetze der Sachsenenergie im Juni 2023 in Dresden. (Foto: Oliver Killig)

Auch Carsten Wald hält den Ausbau der Ultra-Schnellladeinfrastruktur für „das Rückgrat der Elektromobilität, egal, ob im städtischen Raum oder an großen Verkehrsachsen“. Der Abteilungsleiter Elektromobilität bei SachsenEnergie erklärt: „Wir werden unsere Anstrengungen und Ressourcen auf das HPC-Laden konzentrieren und in unserem NetzgebietDresden und Ostsachsen die derzeit vorhandenen mehr als 50 Ultra-Schnellladepunkte um hundert zusätzliche aufstocken.“ Mit Jolt-Geschäftsführer Nelligan teilt er die Vision von „Mobilitäts-Hubs“, zu denen sich die herkömmliche Tankstelle entwickeln werde. Während hier alle Arten von Autos, vom Benziner bis zum Wasserstoff-Fahrzeug und natürlich Elektro-PKW, betankt werden können, nutzen die Fahrer die wenigen Minuten, um einen Espresso zu trinken, im stabilen W-LAN E-Mails zu lesen, im Paketshop eine Retoure abzugeben, im (unbemannten) Shop einzukaufen oder im Restaurant zu snacken.

„Es wird sich einiges tun, am Ende werden wir das Stromtanken ganz einfach in unseren Alltageinbauen können“, ist Wald überzeugt. Doch erst, wenn die Ladeinfrastruktur im Ganzen sowie das Angebot an HPC-Säulen im Speziellen ausreichend ausgebaut sei, könne der E-Autofahrer im Wortsinn „er-fahren“, dass ihm durch sein klimafreundliches Fahrzeug kein Nachteil entstehe. Derzeit ist in Sachsen, was die Verfügbarkeit von Ladepunkten angeht, noch Luft nach oben: Den Autofahrern im Freistaat stehen gerade einmal 3.403 Punkte zur Verfügung, im Vergleich zu den Spitzenreitern Bayern (17.291) und NRW (15.552). In Hamburg, einer der acht „Modellregionen Elektromobilität“, haben Autofahrer aktuell 2.216 öffentliche Ladepunkte zur Auswahl.

Kölner Verkehrsbetriebe setzen auf E-Busse

In Köln betreiben zusätzlich zu den Ladepunkten von Tesla, Aral, Lidl, Aldi und EnBW die Stadtwerke und ihre Töchter bereits mehr als 630 Ladepunkte, die zwar nicht an der Kapazitätsgrenze arbeiteten und damit den Bedarf der Kölner noch deckten. Dennoch hat die viertgrößte Stadt Deutschlands beschlossen, das Angebot bis 2026 um 1.000 Punkte zu erweitern, darunter auch Ultra-Schnellladepunkte. An allen Stadtwerke-Säulen fließt übrigens Öko-Strom. Mit dem fahren auch die E-Busse der Kölner Verkehrsbetriebe, die etwa ein Viertel der gesamten Flotte ausmachen. Wie Sprecher Stephan Anemüller erklärt, setzt man sowohl auf das langsamere Depotladen, das die Batterien weit weniger beanspruche, als auch auf Ultra-Charging an den Endhaltestellen der Linien. Während der Fahrerpausen bekommen die über die Leitstelle gemonitorten Fahrzeuge hier, falls nötig, binnen fünf bis sieben Minuten einen Energiekick für die nächsten Kilometer. „Der Fahrer drückt auf einen Knopf, fährt den Pantographen aus, der dockt an der Ladehaube an und die Busbatterie wird mit bis zu 500 kW geladen.“

Ebenso praktisch erscheint das Pilotprojekt Talako, das seit Mai 2022 den Taxifahrern der Domstadt zur Verfügung steht: In der Nähe des Hauptbahnhofs können sie ihre E-Taxen induktiv laden, ohne aussteigen zu müssen. Aleksandar Dragicevic von Taxi Ruf, der Kölner Genossenschaft der Taxler, sagt: „Insgesamt sind von unseren 1.100 Fahrzeugen sechs für das induktive Laden geeignet. Die Fahrer nutzen die Ladepads, um in der mittleren Wartezeit von 40 Minuten Strom für 70 bis 80 Kilometer zu tanken. Generell ist es aber so, dass viele Fahrer versuchen, E-Autos zu vermeiden, um nicht Schlange zu stehen an den Ladesäulen. Zeit ist Geld im Taxi!“

SachsenEnergie glaubt fest an das wirtschaftliche Potenzial von Ultraschnellladesäulen. (Foto: Steffen Unger)

Der deutsche Autofahrer an sich tendiert dagegen immer häufiger zum klimafreundlichen Untersatz. So waren laut Bundesstatistikamt 2017 erst 0,12 Prozent aller Pkw elektrisch (inklusive Plug-In-Hybriden), ihr Anteil im Jahr 2022 lag indes schon bei 2,6 Prozent und im laufenden Jahr sogar bei über 3,7 Prozent. Bis 2030 soll ein knappes Viertel der deutschen PKW elektrisch sein, was 11,55 Millionen Fahrzeugen entspräche und damit die Zielmarke der Bundesregierung von 15 Millionen verfehlen würde. Dennoch erklärt das schnelle Wachstum auf dem E-Auto-Markt, weshalb auch abseits der Ladesäulen-Infrastrukturalternative Ladesysteme entwickelt werden, insbesondere für stark verdichtete Stadtviertel mit Geschosswohnungsbau. So pilotieren Rheinmetall und die Stadt Köln im Sommer 2023 ein Bordstein-Ladeprojekt, „das sich fast unsichtbar ins Straßenbild einfügen“ solle.

Dass sich der Trend zum E-Auto fortsetzt, steht für Carsten Wald von SachsenEnergiejedenfalls außer Frage. So gehe man davon aus, dass der Bedarf an Wallboxen schon in den Jahren 2027/28 deutlich steigen werde. Nicht nur, weil man mit dem Laden daheim signifikant günstiger als mit Diesel oder Benzin fahre, sondern auch, „weil es in Kürze deutlich mehr E-Fahrzeuge mit einem besseren Preis-Leistungsverhältnis geben wird.“ Was die öffentliche Ladestruktur betrifft, hat auch SachsenEnergie das große wirtschaftliche Potenzial der Ultra-Schnellladesäulen für sich erkannt. Carsten Wald: „Zwar sind die Einrichtungskosten inklusive Hardware, Tiefbau, Installation sowie Netzanschluss für eine HPC-Ladesäule höher, es lässt sich aber auch eine deutlich größere Menge an Öko-Strom mit ihnen verkaufen.“ Während ein Fahrzeug an einem Normalladepunkt mit durchschnittlich elf kW in den gesetzlich erlaubten vier Stunden Parkzeit zwischen 40 und 50 kWh lade und im Schnitt maximal zwei bis drei Ladevorgänge pro Tag erfolgten, sei beim HPC-Laden „auch nach 20 Ladevorgängen am Tag noch nicht Schluss“, so der Abteilungsleiter Elektromobilität.

Ultra-Schnellladenetz nicht aufzuhalten

Hinsichtlich der Vorgabe der Bundesregierung von einer Million Ladepunkten in Deutschland bis 2030 zeigt sich Wald skeptisch: „Ich denke, die Marke werden wir verfehlen. Die Frage ist aber, ob so eine hohe Anzahl überhaupt nötig sein wird. Immerhin ist für viele Fahrer mit einer Gesamtstrecke von 4.000, 5.000 Kilometern im Jahr – der Schnitt aller zugelassener PKW liegt bei 14.000 km pro Jahr – das langsame Laden in der Garage ausreichend. Auch wenn erste E-Autos ihre Langstreckentauglichkeit unter Beweis stellen und damit auch für Geschäftsreisende und Vielfahrer attraktiver werden, so entwickelt sich die Ladetechnologie doch auch sehr schnell und ist das Ultra-Schnellladenetz bereits heute extrem leistungsfähig.“ Anders ausgedrückt: An einer HPC-Säule werden in Zukunft ähnlich viele Autofahrer durchgeschleust werden wie an einer herkömmlichen Zapfsäule. Und wenn dann noch der Espresso am Mobilitäts-Hub schmeckt, läuft’s im Autoland Deutschland wohl in die richtige Richtung.


Beitragsfoto: Steffen Unger