Im regenerativen Energiemix gewinnt Biomethan nach und nach an Bedeutung. Nicht zuletzt, weil seine Verwendung vielfältige Vorteile für Kommunen mit sich bringt. Denn sie verfügen selbst über die organische Ressource, aus der durch Fermentation Biogas entsteht. Und: Einmal zu Biomethan aufbereitet, kann es direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden. Damit wird das Gas, das Stadtwerke ihren klimabewussten Kunden verkaufen, deutlich grüner. Außerdem: Als klimaneutraler Kraftstoff eingesetztes Biomethan reduziert die Lärm- und Feinstaubbelastung in Innenstädten enorm. In Frage kommen dafür der öffentliche Nahverkehr, Müllfahrzeuge oder Stadtwerke-Autos sowie Lastwagen-Flotten privater Unternehmer. Der Stadtwerke-Monitor zeigt, wer sich Biomethan bereits zunutze macht, und klärt, welche Rolle dabei „Polymerspaghetti“ vom Attersee spielen.
„Man könnte es auch Eh-da-Gas nennen“, sagt Christoph Bauer, Pressesprecher des in Essen angesiedelten Chemiekonzerns Evonik. „Denn CH4, also Methan, tritt bei Verrottung jeder Form von Biomasse auf und ist übrigens 25-mal klimaschädlicher als das bekannte Treibhausgas Kohlendioxid. Schon wenn man Methan einfach nur anzünden und so verhindern würde, dass es emittiert, hätte man einen positiven Effekt aufs Klima erzielt.“ Deutlich sinnvoller als ein Streichholz dranzuhalten, sei es natürlich, das speicherbare Biomethan zu nutzen – etwa als alternative Strom- und Wärmequelle, indem man Heizkraftwerke damit beliefert oder es in die vorhandenen Gasnetze einspeist. Laut Deutscher Energie-Agentur dena haben das Stand 2019 schon knapp 200 lokale und überregionale Erdgasversorger in Deutschland praktiziert, wobei die Mischungsverhältnisse zwischen 5 und 100 Prozent schwankten. Die Bereitschaft, für das teurere, aber klimaschonende Biogas höhere Preise zu zahlen, sei ähnlich wie beim Thema Ökostrom unter den Verbrauchern immer stärker gegeben.
Biogasanlagen: Baustein der kommunalen Kreislaufwirtschaft
Johanna Göbel hat denselben Trend beobachtet. Sie ist Business Managerin im Bereich Hochleistungspolymere bei Evonik Operations und erklärt, warum sich eine eigene Biogasanlage für Städte und Gemeinden lohnt: „Diese Anlagen können als wichtiger Baustein in der kommunalen Kreislaufwirtschaft dienen. Denn in ihnen können sowohl Schlämme aus Kläranlagen – und in fast jeder Stadt gibt es eine – verwertet werden als auch Rest- und Abfallstoffe biogenen Ursprungs, also landwirtschaftliches Biogut sowie alles, was die Menschen in die Grüne Tonne werfen.“ Damit hätten die Kommunen als Biogasanlagenbetreiber den Vorteil, das Substrat nicht teuer einkaufen zu müssen und es werthaltig umsetzen zu können, statt es lagern oder abbauen zu müssen.
Im baden-württembergischen Sinsheim hat man im Herbst 2019 damit begonnen. 60.000 Tonnen biogenen Abfall aus dem Rhein-Neckar-Kreis wandelt eine Vergärungsanlage in jährlich 40 Mio. Kilowattstunden Biogas um. Das Rohgas wird nach seiner Aufbereitung zu Biomethan ins regionale Erdgasnetz eingespeist und das Nebenprodukt, hochwertiger Trockenkompost, als natürlicher Dünger weiterverwendet. Die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen im Landkreis Ludwigsburg setzen schon lange auf Biogas. Während die erste Biogasanlage vor den Toren der Stadt Rohgas für ein Heizwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung liefert, können dank der Biogasvergärungsanlage in Oberriexingen seit 2011 rund 11 Mio. klimafreundlicher Kilowattstunden pro Jahr ins Erdgasnetz eingespeist werden.
Bald mehr Biogas erzeugt, als eingespeist werden darf
Erst seit Anfang 2021 ist die Biogasaufbereitungsanlage im pfälzischen Westheim in Betrieb, an der die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen beteiligt sind. Hier werden 48.000 Tonnen Biogut pro Jahr aus den Landkreisen Ludwigsburg und Germersheim sowie der Stadt Karlsruhe verwertet. Lucas Reiber, Abteilungsleiter der Sparte Gas, Wasser, Wärme bei den Stadtwerken, erklärt: „Unsere Erwartungen sind deutlich übertroffen worden. Wir konnten jetzt schon Biogas mit einem Energiegehalt von fast 43.000 Megawattstunden gewinnen, statt der avisierten 35.000 bis 38.000 MWh. Das entspricht etwa dem Bedarf aller unser Erdgaskunden in Bietigheim-Bissingen. Und damit produzieren wir bald schon eine größere Menge, als wir überhaupt einspeisen dürfen.“
Sowohl das Biogas aus Oberriexingen als auch das aus Westheim bereiten die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen zu hochreinem Biomethan in Erdgasqualität auf. Dazu wird es entschwefelt, getrocknet und das enthaltene Biomethan vom nicht brennbaren Kohlendioxid, das den Energiewert des Gases senkt, geschieden. Allerdings durch unterschiedliche Verfahren. In der älteren Anlage in Oberriexingen, in der nachwachsende Rohstoffe wie Mais oder Raps fermentiert werden, kommt für die Veredelung noch die chemische Aminwäsche zum Einsatz. Dadurch, dass das Biogas von immer gleicher Beschaffenheit ist, müssen die nötigen Hilfschemikalien hier nicht ständig angepasst werden. „Für die neue Aufbereitungsanlage haben wir uns aber für das Membrantrennverfahren entschieden. Das hat erst einmal den Vorteil, dass wir weniger Energie aufwenden und gar keine Chemikalien zuführen müssen“, erklärt Reiber. Das wäre schon deshalb aufwändig gewesen, weil die in Westheim zu fermentierenden Bioabfällen zu größeren Schwankungen in der Gasbeschaffenheit geführt und Nachjustierungen des Chemiemixes nötig gemacht hätten. „Auch darum haben wir uns für die physikalische Gasseparation entschieden. Denn hier werden die unterschiedlich großen Methan- und Kohlendioxidmoleküle rein mechanisch voneinander getrennt.“
Spaghetti für die energieeffiziente Biogasaufbereitung
„Sie sehen ein bisschen aus wie Spaghetti“, sagt Christoph Bauer über die hochselektiven Membranen aus mehreren zylinderförmigen Polymer-Hohlfasern, die im pfälzischen Westheim – und weltweit in gut 750 Biogasanlagen verbaut sind. Entwickelt hat sie der Chemiker und promovierte Verfahrenstechniker Goetz Baumgarten, der Evonik 2010 davon überzeugen konnte, sich die Eigenschaften der eigenen Hochleistungskunststoffe – also ihre hohe Druck- und Temperaturbeständigkeit sowie ihre Fähigkeit, Gase besonders scharf, effizient und damit energiesparend zu trennen – zu nutzen, um aus ihnen Polymer-Membrane für die Gasseparation zu produzieren.
Produktionsort der „High Performance Nudeln“ ist das Werk im oberösterreichischen Schörfling am Attersee. Passender als „Spaghetti“ wäre indes die Bezeichnung „Makkaroni“, zumal es sich bei den Membranen um Hohlfasern handelt, in deren Inneren das Methan verbleibt, während die kleineren und im Polymer besser löslichen CO2-Moleküle die hauchdünnen Wände durchwandern. „Das molekulare ‚Sieb‘ passieren außerdem Wasserdampf, Ammoniak und Schwefelwasserstoff, so dass zu guter Letzt ein zu 99 Prozent reines Biomethan übrigbleibt “, erklärt Baumgarten, der zusammen mit Kollegen Ende 2021 mit dem Meyer-Galow-Preis für Wirtschaftschemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker ausgezeichnet worden ist. Besonders hervorzuheben am wartungsarmen Membrantrennverfahren sei, dass es zwei Wertströme bereithalte, ergänzt Johanna Göbel: „Auch das separierte CO2 kann nutzbar gemacht werden. Etwa als Kohlensäure in der Getränkeindustrie oder als Nährstoff in Gewächshäusern.“
Busfahren mit eigenem Biomethan
Ihr Hauptaugenmerk bei der Vermarktung der speziellen Polymer-Membrane legt die Business Managerin aber auf das Biomethan und seine Verwendbarkeit als klimafreundlicher Kraftstoff. „Unter Druck gesetztes Biogas, also Compressed Natural Gas, eignet sich hervorragend für kommunale Fahrzeuge wie Müllwagen oder gasbetriebene Busse“, sagt sie. So eingesetzt könne das aus Biomüll, Gülle oder Klärschlamm erzeugte städtische Biogas einem für Stadtwerke und Kunden gleichermaßen zuträglichen Zweck erfüllen – ganz im Sinne einer perfekten kommunalen Kreislaufwirtschaft. Dies sei auch deswegen attraktiv, weil große Städte wie Stuttgart oder das westfälische Hagen häufig unter einer hohen Feinstaubbelastung litten, gibt Bauer zu bedenken: „Gerade beim Anfahren an Omnibusbahnhöfen, vor Ampeln oder im Stop-and-Go des Berufsverkehrs stoßen Busse mit Verbrennungsmotoren hohe Mengen an Feinstaub aus und sorgen für eine starke Rußbelastung.“ Gasbetriebene Busse produzierten 99 Prozent weniger Feinstaubartikel als dieselbetriebene Fahrzeuge. „Auch nicht zu vernachlässigen ist, dass gasbetriebene Busse nur halb so viel Lärm machen. Gerade in Wohngebieten oder zu Nachtzeiten ist der Motorenlärm der Busse häufig ein Problem in den Städten“, sagt Göbel.
Ausgerechnet Berlin, das sich beim Thema Verkehrsinfrastruktur nur selten als Vorbild eignet, nimmt bei umweltfreundlicher Mobilität eine Vorreiterrolle ein: Die BSR (Berliner Stadtreinigung) testete bereits Mitte der 90er Jahre erdgasbetriebene Abfallsammelfahrzeuge, bevor diese ab 2002 in größerem Umfang eingesetzt wurden. Heute fährt die Hälfte der 330 BSR-Müllwagen mit Gasmotor. Besonders stolz ist man darauf, seit 2013 den Kraftstoff dafür in der eigenen Biogasanlage zu gewinnen, in einer Höhe, die 2,5 Mio. Litern Diesel pro Jahr entspreche.
Während in Deutschlands Nachbarländern Italien, Frankreich oder den Niederlanden Biomethan als Kraftstoff (sowohl als CNG für Autos und Busse als auch als verflüssigtes Gas (LNG) im Schwerlastverkehr) bereits eine große Bedeutung hat, sind erdgasbetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen noch von Seltenheitswert. So geht die dena für 2019 von lediglich 100.000 Erdgasfahrzeugen aus. Johanna Göbel sieht in der gesellschaftlichen und politischen Technologieoffenheit einen Schlüssel zur Reduktion verkehrsbedingter Emissionen – statt einer Fokussierung auf nur bestimmte Kraftstoffalternativen. Dass Biomethan als alternativer Kraftstoff in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird, ist für sie gesetzt: Immerhin habe sich die Anzahl der LNG-Tankstellen in Deutschland in kurzer Zeit auf 84 erhöht und mit 802 CNG-Tankstellen schneide man europaweit sogar sehr gut ab.
Fotos: Evonik Industries AG