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H2-Revolution aus der Provinz

Geisenhausen. Der Name sagt Ihnen nichts? Das könnte sich bald ändern, denn spätestens Ende 2023 will die 7.400 Einwohner zählende Gemeinde im niederbayerischen Landkreis Landshut eine internationale Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen. Dann nämlich soll hier das erste energieautarke Autohaus mit angeschlossener Wasserstofftankstelle der Welt stehen und die H2-Modellregion Landshut in Sachen klimaneutraler Mobilität einen großen Schritt weiterbringen. In den Kopf gesetzt hat sich das ehrgeizige Projekt der 46-jährige KFZ-Mechaniker Joachim Schober, der im benachbarten Velden seit 2002 ein Toyota Autohaus führt..

Herr Schober, wie kommt ein Autohändler auf die Idee, seine gesamte Energie in die Planung eines umweltfreundlichen Betriebs sowie einer H2-Tankstelle zu stecken, von denen es deutschlandweit nicht einmal 100 gibt?

Das muss an meiner Sozialisierung als Toyota-Kind liegen, das schon mit sechs Jahren in der elterlichen Werkstatt mitgeholfen hat. Der japanische Autohersteller versucht ja seit jeher im Einklang mit der Natur zu existieren und hat schon 1997 mit dem Toyota Prius das erste Hybridauto eingeführt, damals noch sehr zum Gelächter der gesamten Automobilindustrie. Als 2015 dann die erste Wasserstofflimousine von Toyota in Serienfertigung ging, habe ich mir gedacht, das ist eine tolle Sache. Aber solange wir Wasserstoff aus fossiler Quelle tanken, erreichen wir nur die Hälfte dessen, was in Sachen Klimaschutz möglich wäre. Denn eigentlich braucht es nur Strom und Wasser, um H2 zu produzieren. Es musste doch möglich sein, diesen grünen Wasserstoff selbst herzustellen.

Seit sechs Jahren tüfteln Sie – hier in der Provinz – an einem Konzept, das weltweit einzigartig sein soll. Was lässt Sie glauben, dass das Autohaus Schober tatsächlich der erste emissionsfreie Autohändler inklusive Wasserstofftankstelle sein wird?

Weil es genau diese Voraussetzungen braucht, um wirtschaftlich zu sein. Ohne den Sektor Mobilität, in dem die größte Wertschöpfung des Energieträgers Wasserstoff liegt, oder anders gesagt, ohne ausreichend Fahrzeuge, die wir mit unserem Wasserstoff betanken können, gibt es keinen Business Case. Da es in ganz Deutschland insgesamt aber nur etwa 1.000 wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenautos gibt im Vergleich zu 50 Millionen Fahrzeugen insgesamt, war klar: Wir können nicht warten, bis zufällig mal eins davon die B 299 runterfährt und tanken muss. Mit den uns umgebenden Betrieben, die auf Wasserstoff umstellen, und unseren H2-Fahrzeugen wie dem Mirai, von dem nur Toyota Berlin ähnlich viele verkauft, werden wir an unserem neuen Standort in Geisenhausen ausreichend Abnehmer haben, um rentabel zu sein. In Frage für ein solches Energie- und Mobilitätskonzept kommen also, wenn man es genau nimmt, nur Hyundai- und Toyota-Häuser, die als einzige Wasserstoffautos in Serie produzieren. Darum wage ich zu behaupten, wir sind die ersten weltweit.

Will das erste energieautarke Autohaus mit angeschlossener Wasserstofftankstelle bauen: Joachim Schober

Was bedeutet „energie-autarkes“ Autohaus?

Ihre Idee findet großen Anklang. So profitieren Sie als Teil der Wasserstoffmodellregion „HyBayern“, die sich für eine CO2-freie Wasserstoffinfrastruktur einsetzt, von der Förderung des Verkehrsministeriums. Doch wie genau funktioniert die Kombination aus energie-autarkem Autohaus und H2-Tankstelle denn nun?

Energie-autark bedeutet zunächst, dass wir weder einen Strom- noch Gasanschluss und auch kein Erdöl brauchen. Über eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugen wir Energie für die Strom- und Wärmeversorgung des Betriebs mit Ausstellungshalle, Werkstatt und Büros. In einem zweiten Schritt wird überschüssiger Strom in Wasser geleitet, so dass durch Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff freigesetzt wird. Der Wasserstoff landet einerseits in den Zapfsäulen, wobei wir eine Wasserstoffmenge für 500.000 Kilometer im Jahr planen. Ein anderer Teil wird in Tanks gespeichert, so dass er über Brennstoffzellen in ertragsschwachen Monaten wieder in Strom und Wärmeenergie umgewandelt werden und die Gebäudeversorgung weiterhin sichern kann. Damit hätten wir Erdöl durch Wasserstoff als Energieträger in der kompletten Sektorenkopplung Elektrizität, Wärme und Mobilität ersetzt.

Und für den Sauerstoff, der bei der Elektrolyse entsteht, haben Sie auch schon eine Idee?

Gerade hat uns die Corona-Pandemie gelehrt, wie sehr reiner Sauerstoff auf Intensivstationen in Krankenhäusern gebraucht wird. Das wäre eine sinnvolle Verwertung. Und ein Blick auf mein Aquarium zeigt mir, dass ich Sauerstoff einleiten muss, damit meine Fische überleben. Groß gedacht hieße das, Sauerstoff aus mit Sonnenstrom betriebener Elektrolyse könnte die Versauerung der Meere, das Absterben der Korallen, den Rückgang des Fischbestands, also die Verödung der Unterwasserwelt aufhalten.

Klimaneutralität muss global gedacht werden

Klingt paradiesisch. Doch scheint bei uns weder genug Sonne, noch weht genug Wind, damit sich „Projekt Geisenhausen“ bald in der gesamten Republik ausbreiten könnte…

Zu denken, das Industrieland Deutschland mit seinem Exportüberschuss dürfe sich klimapolitisch nicht abhängig machen von anderen, ist ein Fehler. Meine Hoffnung ruht darin, dass in einer Ampelkoalition mit Grünen und FDP von dieser Vorstellung abgerückt wird. Auch müssen wir endlich aufhören, so kurzfristig in Legislatur- und Vorstandsperioden zu denken und vermeintliche Erfolge wie das Elektroauto zu feiern, das nicht mehr als eine Brückentechnologie ist. Um bis 2050 wirklich Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen, müssen wir global denken. Das Thema macht nicht an Ländergrenzen halt. Und außerdem ist es ja so, dass wir immer schon Energie zugekauft haben. Warum soll das bei den Erneuerbaren anders sein?

Wie sähe die Energiegewinnung in einer idealen Welt aus?

Um den gesamten Jahresenergieverbrauch der Menschheit über alle drei Sektoren hinweg zu decken, reichen drei Stunden der Sonnenenergie aus, die auf die Erde treffen. Eine Photovoltaikanlage über 20 Prozent der Fläche der Sahara und vor Ort gespeicherter Wasserstoff würden den Planeten sofort mit klimaneutraler Energie versorgen. Nebenbei würde eine Elektrolyse mit Meerwasser ein Häufchen Salz, ein Häufchen Wasserstoff und ein Häufchen Sauerstoff ergeben. Beim Betanken der Fahrzeuge und Maschinen in der Wüste mit Wasserstoff, tropft hinten reines Wasser wieder raus. Damit könnten Sie die Sahara bewässern, die beginnt plötzlich Photosynthese zu machen, der Atmosphäre Kohlenstoff zu entziehen. Und wenn die Wüste grün wird und die Welt mit sauberer Energie versorgt und dadurch eine Existenzgrundlage für die Menschen schafft, dann wollen die am Ende dort auch nicht mehr weg. In einer idealen Welt würden Klimaneutralität und Bekämpfung von Fluchtursachen Hand in Hand gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

„HyBayern“: Erste H2-Modellregion in Bayern

Die Initiative „HyBayern“ will mit Solarenergie aus der Region grünen Wasserstoff produzieren, um damit die Brennstoffzellen von Fahrzeugen aller Art zu versorgen. Im vollständig geschlossenen Wasserstoffkreislauf des Verbundprojektes der Landkreise Landshut, München und Ebersberg arbeiten Verkehrsbetriebe, Energieversorger, Industrie, Gewerbe und Handwerk von der Erzeugung über die Verteilung bis zum Verbrauch Hand in Hand. Als Endabnehmer kommen Bus- und Lkw-Flotten in Frage, aber auch die Logistik innerhalb von Betrieben und Fuhrparks von Unternehmen gehören zur Zielgruppe. In Summe sollen mehr als 430 Tonnen Wasserstoff pro Jahr hergestellt und bis zu 4500 Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Rund 45 Millionen Euro will die Initiative dafür investieren. Im Dezember 2019 hat das Bundesministerium für Verkehr „HyBayern“ als eines von drei beantragten Pilotprojekten in Deutschland ausgezeichnet. Das Ministerium fördert die erste H2-Modellregion in Bayern mit bis zu 20 Millionen Euro.


Fotos: Schober, Architekturbüro