HomeEnergiewendeIst Biomethan vom heimischen Landwirt die besser Alternative zu LNG aus Übersee?

Ist Biomethan vom heimischen Landwirt die besser Alternative zu LNG aus Übersee?

Eine geschlossene Kreislaufwirtschaft hat angesichts von Rohstoffknappheit und Energiepreisexplosionen viele Vorteile – einige Kommunen und ÖPNVs haben das bereits erkannt.

Russlands Angriff auf die Ukraine hat die europäische Energieversorgung durcheinandergewirbelt und vermeintlich unumstößliche Rahmenbedingungen ausgehebelt. Besonders gilt das für Deutschland: Während russisches Erdgas vor dem Krieg mehr als die Hälfte unserer Gasimporte deckte, sind seit September 2022 die Pipelines aus dem Ostenkomplett trockengelegt. Um nicht weiter „in die Röhre zu schauen“, setzt Deutschland nun vor allem auf verflüssigtes Erdgas und baut in ungeahnter Schnelligkeit LNG-Terminals, wo das aus Norwegen, Amerika, der Golfregion sowie den Niederlanden angelieferte, auf -162 Grad heruntergekühlte Flüssiggas (Liquefied Natural Gas) wieder in seinen gasförmigen Urzustand umgewandelt wird. LNG eignet sich als Brennstoff für die Wärmeerzeugung sowieals Treibstoff für Schwerlast- oder Schiffsverkehr. Die neuen LNG-Terminals sollen schon bis zum Winter ein Drittel des deutschen Gasbedarfs decken. Horrende Gaspreissteigerungen, wie sie Stadtwerke und Verbraucher zuletzt belastet haben, will man um jeden Preis verhindern.

Darum ist Biomethan umweltschonender als LNG

Zeitweise war der Preis für eine Megawattstunde Erdgas am Terminmarkt von etwa 20 Euro auf das Zehnfache gestiegen und für das Lieferjahr 2025 werden immer noch rund 80 Euro gehandelt, was den Handlungsdruck enorm erhöht, vor allem für Deutschland, das seinen Gasverbrauch bislang nur zu fünf Prozent aus einheimischer Produktion deckt. Im Sinne der Energiewende – die EU will bis 2050 klimaneutral sein – zieht dieser Druck durchaus Positives nach sich: Plötzlich rücken umweltfreundliche und vor allem lokale Energiequellen in den Fokus, die bisher wenig Beachtung gefunden haben. Wie Biomethan, dessen Grundlage Biogas quasi überall vorhanden und nahezu unerschöpflich ist. Denn egal, ob Klärschlamm, Bioabfall, Speisereste, Grünschnitt, Gülle oder Mist, die biomassehaltigen Reststoffe, bei deren Vergärung Biogas entsteht, fallen in Stadt und Land ja täglich an. Spaltet man nun noch Kohlendioxid (CO2) ab, erhält man Biomethan, das aufgrund seiner äquivalenten chemischen Zusammensetzung gleich ins Erdgasnetz eingespeist werden kann.

Biomethan ist deutlich umweltschonender als das herkömmliche LNG, auf das die Regierung derzeit massiv setzt, zumal das fossile Flüssiggas in den Herkunftsländern häufig mit der in Deutschland verbotenen Fracking-Methode gefördert wird und seine Verflüssigung, die Kühlung, der Transport und die Regasifizierung sehr energieaufwändig sind. Biomethan im Tank gilt auch deswegen als eine der umweltfreundlichsten Alternativen für den LKW- und Busverkehr, da der Biosprit fast keine CO2- Emissionen produziert (im Vergleich zu Diesel 90 Prozent weniger) und das Methan, das bis zu 25-mal klimaschädlicher als das bekannteste Treibhausgas Kohlendioxid ist, der Atmosphäre durch Verbrennung entzogen wird.

35 Milliarden Kubikmeter Erdgas sollen ersetzt werden

Bis 2030 möchte die EU ein Fünftel ihrer bisherigen Erdgasimporte aus Russland durch Biomethan ersetzen, in Zahlen: 35 Milliarden Kubikmeter. Der Vorsitzende des Europäischen Fachverbands Biogas (EBA), Harmen Dekker, hält das für realistisch. „Wir haben alle europäischen Biogasstudien verglichen und festgestellt, dass das Gesamtpotenzial für nachhaltiges Gas bis 2050 kontinuierlich auf ganze 167 Milliarden Kubikmeter steigt“, erklärt Dekker. Voraussetzung: ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren für Biogasanlagen.

Auch der deutsche Marktführer unter den Biogasproduzenten, Envitec Biogas, hat mit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine grundlegende Veränderung im Markt festgestellt. So stellte Vorstandschef Olaf von Lehmden kürzlich im manager magazin fest, dass die Nachfrage nach seinen Aggregaten in Deutschland derart gestiegen sei, dass sie mit der Produktion kaum noch nachkämen, wohingegen man zuvor 90 Prozent der Maschinen exportiert habe. Dabei fokussiert sich der Biogas-Allrounder, der Anlagen nicht nur baut, sondern auch betreibt, auf Biomethan als Treibstoff: In Güstrow baut Envitec derzeit eine bestehende Biogasanlage zum größten deutschen Bio-LNG-Lieferanten für den Schwerlastverkehr um.

Augsburg setzt seit 2011 auf Biomethan

Bei der Busübergabe am Rathausplatz in Augsburg (Foto: swa/Thomas Hosemann)

Doch schon lang bevor sich das Kostenverhältnis zwischen fossilem Gas und Biomethan gedreht und die erneuerbare Alternative auch wirtschaftlich konkurrenzfähig wurde, haben einzelne Kommunen den Nutzen einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft entdeckt. Allen voran die Stadt Augsburg, die ihre Busflotte bereits seit 2011 mit Biomethan fahren lässt. Das stammt vollständig aus der städtischen Bioabfallvergärungsanlage, in der Grün- und Strauchschnitt sowie Bioabfälle zu Biogas vergären. Die Stadtwerke stellen den grünen Sprit an vier Erdgas-Tankstellen auch privaten Autofahrern zur Verfügung. 2017 zeichnete die Agentur für Erneuerbare Energien die schwäbische Großstadt als Energie-Kommune aus.

Augsburgs Beispiel folgten Oldenburg und Gießen, die ihre Stadtbusse ebenfalls ausschließlich mit Biomethan betanken. Auch die Berliner Stadtreinigung (BSR) hat den mehrfachen Benefit einer umweltfreundlichen kommunalen Kreislaufwirtschaft erkannt und versorgt ihre 190 Müllfahrzeuge mit grünem Treibstoff aus der eigenen Biogasanlage. Im Trockenvergärungsverfahren wandeln Mikroorganismen jedes Jahr fast 70.000 Tonnen städtischen Bioabfall in Biogas um und vermeiden so, dass große Mengen Methan ungenutzt in die Atmosphäre verpuffen, wie es bei der Kompostierung von Biomüll in den anaeroben Bereichen der Fall ist. Die Berliner Biobusse wiederum holen einen Großteil des Biomülls bei den Kunden ab, klimaneutral und rußfrei. 2,5 Mio. Liter Diesel können so pro Jahr eingespart werden, was die BSR von schwankenden Kraftstoffpreisen unabhängiger macht. Und zu guter Letzt kommt der aus Gärresten gewonnene Kompost und Dünger dem örtlichen Gartenbau und Landwirtschaft zugute.

Wenn Landwirte und Busunternehmen kooperieren

An der baden-württembergischen Uni Hohenheim bastelt man indes an einem Win-Win-Modell, bei dem zwei unter Druck stehende Berufsgruppen, die bislang wenig Schnittstellen hatten – Landwirte und lokale Busunternehmer – voneinander profitieren sollen. Neben den Engpässen bei der Rohstoffversorgung legen legislative Vorgaben im Energiesektor eine solche Kooperation nahe, wie Andreas Lemmer, stellvertretender Leiter der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie Hohenheim, erklärt: „Um die europäische Clean-Vehicle-Richtlinie zu erfüllen, müssen in Deutschland bis Ende 2025 45 Prozent der Busse im ÖPNV emissionsarm oder gar emissionsfrei sein, bis Ende 2030 ganze 65 Prozent. Das ist allein mit Elektromobilität nicht leistbar. Auf der anderen Seite zwingt das Auslaufen der EEG-Förderung für Biogasanlagen die Betreiber nach 20 Jahren dazu, alternative Verwertungsmöglichkeiten für ihr Biogas zu finden.“

Der bio-CNG Bus der Uni Hohenheim

Seit Ende 2021 betreut Lemmer das Projekt „NEObus – Negative Emission ÖPNV“, das die Probleme beider Gruppen lösen sowie einen wichtigen Beitrag zur Klimawende leisten soll. Und zwar, indem das von den Bauern produzierte Bio-CNG im Tank der lokalen Busunternehmer landet – anstelle von herangeschifftem Erdgas. Deswegen wird Philipp Duelli in Kürze neben der größeren Biogasanlage, in der der junge Landwirt vom Bodensee seit Jahren neben Rindergülle und Mist auch Mais und Gras zu Biogas fermentiert, eine kleinere Biogas-Aufbereitungsanlage in Betrieb nehmen, in der das aus ausschließlich Gülle und Mist erzeugte Biogas im Membrantrennverfahren in bis zu 97 Prozent reines Biomethan aufbereitet wird. „Bei der sehr kompakten Anlage der Firma Apex aus der Schweiz handelt es sich um die erste ihrer Art, die in Deutschland zugelassen wurde“, sagt Duelli.

Über 50 % landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen sind Methan

Über die Hälfte der Treibhausgasemissionen aus der deutschen Landwirtschaft besteht aus Methan, das wiederum zum größten Teil im Pansen von Rindern und Milchkühen sowie bei der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdünger entsteht. „Weil bei der Methan-Erzeugung aus Wirtschaftsdünger nicht nur ein erneuerbarer Energieträger aus einem Abfallstoff produziert wird, sondern zusätzlich die Methanemissionen aus der Lagerung von Gülle vermieden werden, kann rechnerisch die Umweltbelastung durch solche Busse oder LKW um 165 Prozent gemindert werden“, sagt Andreas Lemmer. Dank der Gutschriften aus den verhinderten Methangasemissionen gilt die CO2-Bilanz der Biomethan-Fahrzeuge sogar als negativ.

Im Falle Duelli macht man sich den glücklichen Umstand zunutze, dass die Busse des Ravensburger Unternehmens Bühler täglich an der Aufbereitungsanlage vorbeifahren. Seinen nagelneuen Erdgasbus von Iveco betankt Bühler derzeit noch mit Methangas aus einer Erdgastankstelle. Doch sobald das im Kompressor zu CNG (Compressed Natural Gas) verdichtete Biomethan bei Duelli bereitsteht, wird der Bühler-Bus von der Hauptstraße auf den Hof abbiegen und schnell tanken. Bühler plant, weitere Gasbusse anzuschaffen, um damitdie Clean-Vehicle Vorgaben erfüllen zu können.

Biomethan mit Reinheitsgrad von 100 Prozent

Lemmer ist überzeugt: „Bio-CNG ist die verlässlichste, auch kurzfristig zur Verfügung stehende Lösung, um die Klimawende zu schaffen. Die Ökobilanz eines E-Busses wird erst dann so gut wie die eines Biomethan-Busses sein, wenn die Stromerzeugung zu 80, 90 Prozent durch erneuerbare Energien erfolgt. Möglicherweise ist das bei der nächsten Bus-Generation der Fall. Derzeit kann aber kein anderer Treibstoff Biomethan das Wasser reichen.“ Ein weiterer Vorteil, den der Forscher in Biogas betriebenen Busses sieht, ist wirtschaftlicher Natur: So sei nicht nur die E-Ladestruktur kostenintensiv, sondern läge auch die Anschaffung eines Elektro- beim Sechs- bis Achtfachen eines Dieselbusses, wobei ein Gasbus nur etwa 20 Prozent teurer sei. „Die ideale Konstellation, dass die Biomethan-Tankstelle eines Landwirts direkt auf der Fahrtroute eines ÖPNV-Unternehmens liegt, wird zwar nicht überall gegeben sein“, räumt Lemmer ein. Doch ließe sich das Biomethan aus den Aufbereitungsanlagen unterschiedlicher Bauern auch in die vorhandenen Gasverteilnetze der örtlichen Stadtwerke einspeisen und an zentraler gelegenen Tankstellen dem ÖPNV zur Verfügung stellen.

Neben der Herstellung von Bio-CNG in kleinen Aufbereitungsanlagen erforscht das Hohenheimer Projekt auch die Erzeugung von Bio-LNG durch Hochdruckfermentation von Biomasse und anschließender biologischer Methanisierung. Der Reinheitsgrad dieses Biomethans liegt bei  nahezu 100 Prozent. Ein Test-Hybridbus, dessen Gasmotor mit angeschlossenem Generator die Batterie unter der Fahrt aufladen wird, befindet sich in Konstruktion. Er soll auch die Steigungen der Schwäbischen Alb mühelos schaffen.„Reichweiten von mehr als 800 Kilometern machen das Bio-LNG gerade für den Schwerlastverkehr attraktiv“, findet Lemmer. Vielleicht nicht die schlechteste Alternative für Flüssiggas, das in Tankern erst einmal um die Welt geschippert wird, bevor deutsche Speditionen ihre Flotten damit betanken können?


Beitragsfoto von: Evonik, Christian Vorhofer