Mit rund 900 Kilometern Länge betreibt München eines der größten Fernwärmenetze Europas. Um den Strom- und Fernwärmebedarf der Stadt in der Zukunft CO2-neutral decken zu können, wollen die Stadtwerke München (SWM) bei der Fernwärme von Erdgas als Energieträger auf Geothermie umsteigen. Damit die aus der Tiefe gewonnene Energie im Stadtgebiet verteilt werden kann, muss jedoch das im Untergrund verlegte Dampfnetz für den Heizwasserbetrieb ertüchtigt werden. Eine enorme Baumaßnahme, die voraussichtlich bis 2033 dauern wird. Erste Abschnitte wurden jetzt begonnen.
An und für sich ist die Versorgung mit Fernwärme eine effiziente und umweltschonende Art der Energieversorgung: Durch die Kraft-Wärme-Kopplung dient der Energieträger sowohl zur Strom- als auch zur Wärmeerzeugung und wird damit optimal genutzt. Auch die Nutzer profitieren: So ist bei einem Fernwärmeanschluss im Gebäude kein Heizkessel notwendig, vor Ort entstehen keine Emissionen. Kam in der bayerischen Landeshauptstadt bislang Erdgas zum Einsatz, soll in Sinne der CO2-Neutralität künftig schwerpunktmäßig auf eine nahezu unerschöpfliche Quelle aus dem Untergrund gesetzt werden: die Tiefengeothermie.
Aus zwei mach ein Fernwärmenetz
Geothermieanlagen pumpen heißes Thermalwasser an die Oberfläche und nutzen es zum Heizen oder – bei höheren Thermalwassertemperaturen – zur Stromerzeugung. Dem heißen Thermalwasser wird nur ein Teil der Wärme entzogen, es wird ansonsten unverändert direkt in den Untergrund zurückgeleitet. Schon jetzt betreiben die SWM mehrere Geothermieanlagen in und um München. Zur Heizsaison 2021/22 geht am Energiestandort Süd gar Deutschlands größte Anlage ans Netz. Um die Wärmewende im Raum München weiter vorantreiben zu können, gilt es allerdings zuerst, die letzten noch verbliebenen Dampfnetzgebiete – rund 90 Kilometer Leitungen und hydraulische Anlagen – auf Heizwasserbetrieb umzustellen. Denn derzeit betreiben die SWM noch zwei Systeme zur Fernwärmeversorgung: das seit 1908 gewachsene Dampfnetz innerhalb des Mittleren Rings und die später entstandenen Heizwassernetze in Stadtteilen wie Sendling, Perlach und Freimann.
„Die Geothermie liefert bis zu 120 Grad Celsius heißes Wasser. Dieses kann nicht in das bestehende Dampfnetz eingebunden werden, das für eine Betriebstemperatur von rund 200 Grad ausgelegt ist. Die Rohre müssen aufgrund des niedrigeren Temperaturniveaus und des höheren Drucks verstärkt werden, stellenweise werden die Leitungen auch ausgetauscht“, erklärt Stefan Dworschak, Geschäftsführer SWM Infrastruktur. Im Rahmen der notwenigen Arbeiten würden die unter Straßen und Gehwegen verlegten Rohre ertüchtigt und verstärkt. Zudem müssen die Übergabestationen in den Gebäuden für den Betrieb mit Wasser getauscht werden. Bei den jetzigen Arbeiten werden teils Stahlbetondecken von Schächten geöffnet, dort Armaturen getauscht und im Anschluss der Stahlbetondeckel erneuert. An anderen Stellen sind größere Aufgrabungen beispielsweise für neue Leitungen oder Ringschlüsse notwendig. Bei Arbeiten an Hausanschlüssen bezieht die Baustellenfläche mitunter auch Gehwege ein.
Sei die Wärmewende ein entscheidender Schritt hin zur ökologischen Energiezukunft Münchens, bringe sie zunächst leider Beeinträchtigungen mit sich, bedauert Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der SWM. Arbeiten am Dampfnetz bedeuten Tiefbau mit all seinen Begleiterscheinungen. Doch seien die Maßnahmen ein maßgeblicher Baustein für mehr Klimaschutz und saubere Luft. „München gehört damit zu den Vorreitern in Deutschland und Europa.“
FAQs sowie eine aktuelle Übersicht zum Fortschritt des Projekts sind auf www.swm.de/waermewende zusammengestellt.
Quelle: Pressmitteilung der SWM vom 12.11.2020 | Fotos: SWM + Stefan Obermeier