Mehrwerte: Welche drei Kernproblematiken ergeben sich aus dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG)? Unsere Zielgruppe aus dem Bereich Stadtwerke wird hierfür zunächst kurz in das Thema MsbG (erneut) eingeführt und bekommt wichtige Begrifflichkeiten erklärt, bevor die „Herausforderungen“ skizziert werden und in ein Fazit münden.
Das MsbG bildet den rechtlichen Rahmen für den Einbau und Betrieb von intelligenten Messsystemen und Zählern (sogenannter Messtellenbetrieb). Damit kommt dem Gesetz eine exponierte Bedeutung bei der angestrebten Umsetzung der Energiewende zuteil. Schließlich stellen intelligente Messsysteme und Zähler notwendige Voraussetzungen für den Aufbau eines Smart Grid dar.
Hintergrund für den Erlass des Gesetzes sind die EU-Richtlinien über den Strombinnenmarkt und den Gasbinnenmarkt, die den Mitgliedsstaaten vorgeben, bis zum Jahr 2020 80 Prozent der Verbraucher mit intelligenten Messsystemen auszurüsten. Das MsbG beinhaltet dabei neben allgemeinen Bestimmungen zum Messstellenbetrieb auch hohe technische Anforderungen sowie Regelungen zur Finanzierung intelligenter Messsysteme und zum Datenschutz. Im folgenden Artikel konzentrieren wir uns auf die allgemeinen Anforderungen hinsichtlich des Einbaus und des Betriebs.
Grundlegende Begriffe im MsbG
Für das Verständnis des MsbG sind zunächst einige Begriffsbestimmungen maßgebend, die das Gesetz trifft. So wird in § 2 der „grundzuständige Messstellenbetreiber“ definiert. Diese Definition ist deshalb von Bedeutung, weil das MsbG den Messstellenbetreiber zum Hauptverantwortlichen macht für das sogenannte „Smart Meter Rollout“, also die deutschlandweite Verbreitung intelligenter Messeinrichtungen innerhalb des vom MsbG abgesteckten Zeitrahmens.
§ 2 Nr. 4 MsbG legt hierbei fest, dass der Betreiber von Energieversorgungsnetzen auch sogenannter grundzuständiger Messstellenbetreiber ist, soweit und solange er diese Zuständigkeit nicht einem dritten Unternehmen übertragen hat. Aufgrund des Umstands, dass viele Stadtwerke auch als Netzbetreiber fungieren, werden diese somit zu grundzuständigen Messstellenbetreibern, woraus entsprechende Herausforderungen resultieren. Innerhalb dieser Grundzuständigkeit unterscheidet das MsbG auch zwischen der „normalen“ Zuständigkeit für den Messstellenbetrieb (§ 3 Nr. 5 MsbG) und der für den Messstellenbetrieb von modernen Messeinrichtungen (mMe) sowie intelligenten Messsystemen (iMs) (§ 3 Nr. 6 MsbG).
Moderne Messeinrichtungen sind nach § 2 Nr. 15 MsbG solche, die den tatsächlichen Elektrizitätsverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln und über ein Smart-Meter-Gateway sicher in ein Kommunikationsnetz eingebunden werden können. Werden diese zusätzlich über ein sogenanntes Smart-Meter-Gateway in das eigens eingerichtete Kommunikationsnetz eingebunden, liegt ein intelligentes Messsystem vor.
Gateway-Administrator
Der Gateway-Administrator ist verantwortlich für den sicheren technischen Betrieb des intelligenten Messsystems. Die Aufgaben sind: Installation, Inbetriebnahme, Konfiguration, Administration, Überwachung und Wartung des Smart-Meter-Gateways und die informationstechnische Anbindung von Messgeräten und von anderen an das Smart-Meter angebundenen technischen Einrichtungen
Smart-Meter-Gateway
Das Smart-Meter-Gateway bindet eine oder mehrere moderne Messeinrichtungen und andere technische Geräte (z.B. Erneuerbare-Stromerzeugungsanlagen, Gas-Messeinrichtungen, Wärmepumpen) sicher in ein Kommunikationsnetz ein. Darüber hinaus verfügt es über Funktionen zur Erfassung, Verarbeitung, Verschlüsselung und Versendung von Daten.
Während der normale Messstellenbetrieb für die meisten Stadtwerke ohne Weiteres abzubilden ist, stellt der Messstellenbetrieb von modernen Messeinrichtungen (mMe) und intelligenten Messsystemen (iMs) trotz mittlerweile zweijähriger Bestandskraft des MsbG viele vor erhebliche Probleme.
Ausstattung mit mMe und iMs (Smart Rollout)
Das MsbG verpflichtet grundzuständige Messstellenbetreiber in § 29 Abs. 1 zur Ausstattung bestimmter Messstellen mit intelligenten Messsystemen, soweit dies technisch und wirtschaftlich vertretbar ist. Sowohl die technische Vertretbarkeit, die sich nach § 30 MsbG richtet, als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit (nach § 31 MsbG) stellen aktuell zum Teil noch unüberwindbare Hürden dar.
Im Hinblick auf die technische Vertretbarkeit stellt sich sowohl für kleine als auch große Stadtwerke als Betreiber das gleiche Problem: Technische Vertretbarkeit kann gem. § 30 MsbG angenommen werden, wenn drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme am Markt anbieten, die den Vorgaben des § 24 I genügen und dies auch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) festgestellt wurde.
Die Anforderungen sind seit mehr als zwei Jahren klar. Das Problem: Bis heute wurde kein einziges Gerät vom BSI (Stand: Herbst 2018) zertifiziert. Dass folglich auch keine zuverlässige Prognose über die wirtschaftliche Vertretbarkeit getroffen werden kann, versteht sich von selbst. Von der Entscheidung, wie man der Aufgabe des Smart Rollouts gerecht werden kann, hängt die Zukunft eines jeden Messstellenbetreibers und damit vieler Stadtwerke im Geschäftsfeld Energieversorgung ab, die als solche fungieren. Hat sie doch Veränderungen in allen Prozessen der Wertschöpfungskette zur Folge:
- Mess- und Zählwesen
- das Vertragsmanagement (Ausarbeitung und Aufsetzung neuer Messstellenverträge)
- das Rechnungswesen (Umsetzung neuer Abrechnungsprozesse)
- Marktkommunikation (Umsetzung des Interimsmodells ab 2017 und Umstellung auf die sternförmige Kommunikation ab 2020)
- die IT (zukünftige Abbildung der BSI-konformen sternförmigen Marktkommunikation)
- den Vertrieb (Entwicklung neuer Angebot anhand der neuen Mess- und Bilanzierungsverfahren)
- das Energiedatenmanagement (Entwicklung neuer Bilanzierungsmethoden)
Bedingt durch fehlende Angebote auf dem Markt und eine daraus resultierende Unsicherheit sehen sich viele Stadtwerke weiterhin mit Fragen konfrontiert, die gleichermaßen zukunftsweisend wie schwer zu beantworten sind. So werden im Gegensatz zu großen Netzbetreibern die wenigsten Stadtwerke in der Lage sein, die umfassenden Aufgaben, die in Verbindung mit dem Rollout auf die Messstellenbetreiber zukommen, namentlich vor allem die Gateway-Administration, alleine zu stemmen. Sie müssen deswegen entscheiden, welche Aufgaben man selbst oder in Kooperation wahrnimmt und welche als Dienstleistung eingekauft werden.
Auslagerung & Wahl des Dienstleisters
Bei der Wahl, welche Aufgaben der Wertschöpfungskette des Messstellenbetriebs ausgelagert werden, kommt es auf die vorhandenen Strukturen und die individuelle Situation des einzelnen Energieversorgers an. Allerdings ist speziell bei kleinen und mittleren Stadtwerken zu erkennen, dass diese sich nicht den hohen durch MsbG und BSI festgelegten Anforderungen für die Gateway-Administration gewachsen sehen und diese deshalb größtenteils an Dienstleister auslagern. Bei der Wahl des Dienstleisters besteht die Gefahr, in einen falschen Dienstleister zu „investieren“, sollte dieser bzw. dessen Lösung nicht seitens des BSI zertifiziert werden. Sieht man sich die aktuelle Marktsituation an, ist dies kein unwahrscheinliches Szenario. Zwar vermittelt § 19 Abs. 5 MsbG solchen nicht zertifizierten Messsystemen einen bis zu achtjährigen Bestandsschutz. Allerdings müssen die Systeme dafür vor der Feststellung der technischen Möglichkeit des Rollouts durch das BSI fertig eingebaut sein.und Letztlich hätte der Messstellenbetreiber nach Ablauf des Bestandsschutzes und zwangsweise folgender Installation eines zertifizierten Systems dann trotzdem doppelt investiert. Die Auslagerung der Gateway-Administration hat je nach Ausgestaltung Einfluss auf die Zertifizierungsnotwendigkeit durch das BSI. Bei einer etwaigen Auslagerung findet schließlich keine Übertragung der Grundzuständigkeit des Messstellenbetriebs für intelligente Messsysteme im Sinne der §§ 41 ff. MsbG statt. Vielmehr werden hier nur einzelne Aufgaben abgetreten bzw. ausgegliedert, die juristische Verantwortlichkeit für den Messstellenbetrieb bleibt hingegen beim abtretenden Unternehmen. Dies hat wiederum zur Folge, dass dieses sich je nach dem wie weit es noch in die Gateway-Administration eingebunden ist, weiterhin vom BSI zertifizieren lassen muss.
Für den Messstellenbetreiber gibt es praktisch also drei verschiedene Zertifizierungsszenarien:
1. Vollumfängliche Zertifizierung des Messstellenbetreibers
Der Messstellenbetreiber tritt die Gateway-Administration nicht ab, sondern er wickelt alle Prozesse selbst ab. Dies wird aufgrund der enormen Aufwands- und Kostenbelastung wohl den seltensten Fall darstellen.
2. Teilweise Zertifizierung des Messstellenbetreibers
Der Messstellenbetreiber hat die Gateway-Administration zwar teilweise ausgelagert, allerdings verbleiben Teile des Prozesses bei ihm. Er greift auf eine – sollte eine solche verfügbar werden – zertifizierte Lösung eines Dienstleisters zurück, bedient diese aber zumindest teilweise selbst.
3. Wegfall der Zertifizierungspflicht
Alle Prozesse der Gateway-Administration werden durch einen zertifizierten Dienstleister durchgeführt. Der Messstellenbetreiber hat keinerlei Zugriff auf die Gateway-Administration (GWA).
Die Wahl des richtigen Dienstleisters hat gravierende Auswirkungen auf den zukünftigen Betrieb eines Stadtwerks und sollte aus diesem Grund nicht nur anhand der Kompatibilität mit dem eigenen Unternehmen ausgewählt werden, sondern auch mit Hinblick auf die Anforderungen seitens des BSI.
Abrechnung in Zeiten des MsbG
Eine nicht zu unterschätzende Hürde ergibt sich mit der neuen Rolle des grundzuständigen Messstellenbetreibers auch für die Abrechnung des Messstellenbetriebs, wenn der Netzbetreiber nicht gleichzeitig als Stromlieferant auftritt. Dies hängt mit der Aufspaltung der Grundzuständigkeit für den Messstellenbetrieb, von konventionellen Messeinrichtungen, modernen Messeinrichtungen (mMe) sowie intelligenten Messsystemen (iMs) zusammen. So kann der Netzbetreiber dem Netznutzer (Lieferant) den Messstellenbetrieb nur als Teil des Netzentgelts in Rechnung stellen, soweit er diesen als grundzuständiger Messstellenbetreiber in Bezug auf konventionelle Messtechnik durchführt, vgl. §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 2 NNV. Sind an den betreffenden Zählpunkten allerdings bereits mMe installiert oder sollen zukünftig solche installiert werden, muss nach dem MsbG die Abrechnung direkt gegenüber dem Anschlussnutzer – d.h. dem Kunden – vorgenommen werden, wozu es ausweislich § 9 Abs. 1 Nr. 1 MsbG eines Vertrages zwischen Messstellenbetreiber und Anschlussnutzer bedarf. Das Erfordernis eines solchen Vertrags entfällt jedoch, wenn der Anschlussnutzer mit seinem Lieferanten einen sogenannten kombinierten Vertrag abgeschlossen hat, der auch Regelungen der Messstellenverträge enthält, vgl. § 9 Abs. 2 MsbG. Liegt keiner der beiden Verträge vor, kommt ein Vertrag zwischen dem Anschlussnutzer und dem grundzuständigen Messstellenbetreiber gem. § 9 Abs. 3 MsbG automatisch zustande, wenn Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entnommen wird.
Szenario 1
Ausgehend von dieser rechtlichen Grundkonstellation kann der Messstellenbetreiber dem Anschlussnutzer entweder aus einem eigens mit ihm geschlossenen oder aus einem aufgrund des Fehlens eines Messstellenvertrags automatisch zustande gekommenen Vertrags den Messstellenbetrieb mit mMe in Rechnung stellen. Der Kunde würde in beiden Fällen zwei Rechnungen erhalten: eine Stromrechnung seines Lieferanten und eine Rechnung für den Messstellenbetrieb seitens des Netzbetreibers. Dies dürfte weder im Interesse des Lieferanten sein, der seine alleinige Kommunikationsposition mit dem Kunden verliert, noch dürfte der Messstellenbetreiber großes Interesse an dem Mehraufwand haben. Dass auch der Kunde wenig Verständnis dafür haben wird, warum er neben seiner „normalen“ Stromrechnung noch eine weitere Rechnung erhält, liegt auf der Hand.
Szenario 2
Eine anders geartete Problematik ergibt sich aus dem Szenario, wenn der Stromlieferant mit dem Anschlussnutzer einen kombinierten Vertrag nach § 9 Abs. 2 MsbG abgeschlossen hat. Ein solcher verhindert nämlich das Zustandekommen eines Vertrags zwischen dem grundzuständigen Messstellenbetreiber (gMSB) und Anschlussnutzer. Der gMSB hat mithin gar keinen Anspruch auf Abrechnung gegenüber dem Anschlussnutzer. Lediglich der Lieferant kann die Entgelte für den Messstellenbetrieb aus dem kombinierten Vertrag geltend machen. Damit der Netzbetreiber den Messstellenbetrieb trotzdem abrechnen kann, bedarf es einer vertraglichen Regelung zwischen ihm und dem Lieferanten. Dabei hat er jedoch keineswegs einen Anspruch gegenüber dem Lieferanten, mit dem er diesen zum Abschluss eines solchen Vertrages „zwingen“ könnte, denn der Vertrag ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MsbG auf Verlangen des Lieferanten zu schließen. Allerdings liegt eine gut abgestimmte vertragliche Regelung bzgl. der Abrechnung aus den dargestellten Gründen im Interesse beider Parteien und sollte daher frühzeitig bei Installation von mMe geschlossen werden.
Fazit zum MsbG
Das MsbG verändert grundlegend die Rolle des Messstellenbetreibers und somit vieler Stadtwerke. Stadtwerke kommen nicht darum herum, ihre kurz- und langfristige Planung an diese neuen Anforderungen auszurichten. Die weitreichenden Auswirkungen auf nahezu jeden Geschäftsbereich, verbunden mit der teilweise noch unklaren Marktsituation, legen dabei nahe, nicht nur einen „Fahrplan“ für die Digitalisierung starr zu verfolgen, sondern für unvorhergesehene Entwicklungen mindestens noch einen Backup-Plan in der Hinterhand bereit zu halten. Nur so ist gewährleistet, dass Stadtwerke flexibel auf die verschiedenen, variierenden Gegebenheiten reagieren und auch in der Zukunft wirtschaftlich rentabel agieren können.